Ihre Wirklichkeit ist eine andere als meine Wirklichkeit. Wir können zur selben Zeit, dasselbe betrachten und würden es doch verschieden erfahren und unterschiedlich beschreiben. Die Künstlerin Milla Swann, seit Kurzem im Zentrum AktionsRaum aktiv, lerne ich als einen sehr achtsamen Menschen kennen. Sensibel und überlegt sind ihre Worte, das fällt mir bereits im ersten Gespräch auf. Ihre Kunst erlebe ich, als wären Ebenen der Wahrnehmung übereinandergelegt.

Milla Swann beantwortet hier die Frage nach ihrem Künstlernamen und gewährt uns persönliche Einblicke in die Entstehungsgeschichte eines ihrer Werke.

Wie kamen Sie zu dem Namen „Milla Swann“ und seit wann benutzen Sie diesen Namen?
Ich brauchte eine „Fake“ Emailadresse und als ich nach einem Namen suchte, war Milla Swann plötzlich in meinem Kopf als wäre der Name schon immer da gewesen. Als ich mich 2016 für die Fotografie und meine Website (https://www.milla-swann.com) entschieden habe, wählte ich diesen Namen als Künstlernamen. Swan ist der englische Begriff für Schwan. Laut einer irischen Legende ist er der Begleiter der Seele ins sogenannte „Himmelreich“. Da sich in meiner Weltauffassung im Leben alles um die Seele und ihren Erfahrungen dreht, kann ich mich mit diesem Namen identifizieren.

Auf Ihrer Webseite (Identity) schreiben Sie, dass Fotos „nur“ die materielle Welt wie eine Art Spiegel zeigen, dass es der „bloßen“ Aufnahme nicht gelingt, das zu zeigen, was Sie wahrnehmen. Sie erwähnen die „Dinge“ zwischen den Zeilen, zwischen Himmel und Erde. Können Sie uns dazu noch etwas mehr sagen? Und reichen Ihnen die digitalen Mittel aus, um das sichtbar zu machen was Sie wahrnehmen?
Ich denke jeder von uns nimmt Realität auf eine eigene Weise wahr, je nach Erfahrungen, Stimmungen usw. In dem Buch „Die Leiden des jungen Werther“ von Goethe beschreibt der glückliche Werther die Natur völlig anders als der leidende. Und auch in der spirituellen Welt heißt es, dass unser äußeres Leben lediglich ein Spiegel unser inneren Welten ist, das was das Auge nicht wahrnehmen kann. Wenn ich meine Fotos mit digitalen Mitteln verändere, halte ich mich nicht an die Realität. So kann ich Dinge auf eine Art und Weise darstellen, die es so in der materiellen Welt nicht unbedingt gibt. Die digitalen Mittel sind bereits so ausgereift und vielfältig, dass ich noch nicht sagen kann, ob mir diese Mittel reichen – aber ich singe auch sehr gern…

Würden Sie zustimmen wenn ich sage, dass Kunst das Zeigen dieser Dimensionen oder der individuellen Wahrnehmungen ist? Wie würden Sie die Frage „Was ist Kunst?“ beantworten?
Man könnte sagen, Kunst ist etwas rein Emotionales, aber das stimmt nicht. Gerhard Richter z.B. geht es in seinem Werk oft um die Erforschung malerischer Mittel. Er geht sogar so weit zu sagen, dass seine Biographie nichts mit seiner Malerei zu tun hat. Das krasse Gegenteil wäre zu sagen, Kunst sei etwas rein Therapeutisches. Ich denke die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Für mich ist Kunst wie ein Raum, der wenn man ihn betritt alle Lebensbereiche verändern kann. Ich nehme gleichzeitig Kontakt mit meiner Seele und meiner Umwelt auf und finde Mittel und Wege das auszudrücken, was gerade da ist.

Ein Bild auf Ihrer Seite hat mich besonders angesprochen, es ist „The Loss 3“ im Diary. Gibt es dazu eine Geschichte?
Im Jahr 2016 habe ich meinen Vater und meine Katze verloren. Beide sind Ende diesen Jahres gestorben. Das hat ein Loch in meiner Seele hinterlassen. Mit meinem Kater – Pascha – hatte ich ein sehr enges und kommunikatives Verhältnis. Er war eine eigene Persönlichkeit und dann von einem Moment auf den anderen nicht mehr da. Und doch bleibt etwas zurück das viel mehr ist als bloße Erinnerung. Und auf der anderen Seite ist der Tod die ultimative Transformation der Seele, die den Körper verlässt – die Verstorbenen werden ungreifbar – man kann sich ihnen nicht mehr nähern, nicht mehr mit ihnen kommunizieren. Und doch bleibt etwas zurück. Deshalb schwimmt mein Geisterfisch durch den jüdischen Friedhof, als etwas gleichzeitig Greif- und Ungreifbares.

Greif- und Ungreifbar, das beschreibt, wie ich Ihre Kunst wahrnehme. Ich danke Ihnen für die ehrlichen Einblicke und Antworten auf meine Fragen. Ihre Kunst auf dem VIA Blog präsentieren zu dürfen, freut mich sehr.
sk


Hier ist die deutsche Übersetzung des Textes zu lesen, der unter dem Link Identity zu finden ist.

Die Reiche der Seele erkunden
Bilder machen ist, wie eine Welt ohne Worte zu betreten. Sie braucht sie nicht um zu existieren. Auf diese Weise kann man seine Wahrnehmung und sein Verständnis über Dinge erweitern. Man kann Ebenen des Seins enthüllen, die Worte oft nur limitieren oder sogar zerstören können.
Wenn ich ein Foto oder Video aufnehme, folge ich meiner Intuition wie eine Jägerin. Deshalb kann es im Laufe der Jahre und dem Leben, das verstreicht, passieren, dass Bilder plötzlich eine andere Bedeutung offenbaren, etwas das ich vorher nicht realisiert hatte. Manchmal entscheide ich mich dann für einen neuen Titel.
Was ich mit meinen Augen sehe wenn ich mich umschaue, ist nicht immer äquivalent zu der materiellen Realität, die meine Kamera aufnehmen kann. Seit meiner Kindheit war ich mehr interessiert an der Bedeutung zwischen den Zeilen, an den Dingen zwischen Himmel und Erde die die Augen nicht sehen können, obwohl man immer einen visuellen Spiegel in der materiellen Welt finden kann.
Und so führte mich mein Weg zur Digitalen Kunst. Ich versuche der materiellen Realität meiner Fotos die Dimension meiner Wahrnehmung zurückzugeben. Manchmal ist es ein emotionaler Zustand der am besten mit Analogien beschrieben werden kann, manchmal ist es ein besonders magischer Moment in der Natur, etc…